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Streuobst-Wissen

Hier finden Sie grundlegende Informationen über unsere heimischen Streuobstwiesen. Sowohl der ökologische und ökonomische Nutzen von Streuobstwiesen als auch die Herausforderungen beim Erhalt der Streuobstbestände werden im Folgenden thematisiert. Der Regionalverband FrankfurtRheinMain fördert als zentraler Akteur den Schutz der Streuobstwiesen.

Streuobst

Streuobst ist Teil der regionalen Identität Hessens. Aber was genau ist Streuobst? Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Obstarten, wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen oder Walnüsse, die an großwüchsigen Obstbäumen mit einem hohen Kronenansatz wachsen. Die Bäume stehen in weiten, oft gestreuten Pflanzabständen in der Landschaft. Dies ermöglicht eine Mehrfachnutzung: den Obstanbau in der Höhe und die Unternutzung der Fläche als Acker, Weide oder Wiese. Durchgesetzt hat sich der Anbau auf Wiesen - den Streuobstwiesen. Diese wurden traditionell naturschonend bewirtschaftet.

Geschichtliche Hintergründe

Der Obstbau in seiner Kulturform gelangte vor gut 2.000 Jahren durch die Römer zu uns. Was mit kleinen Obstgärten römischer Privilegierter begann, entwickelte sich in der Bevölkerung bald zu Selbstversorgergärten. Im Laufe der Jahrhunderte dehnte sich der Obstbau aus den Siedlungen immer weiter in die Landschaft aus. Mit einer zunehmend wirtschaftlichen Bedeutung setzte sich diese Expansion fort. Seine Blütezeit erlebte der Streuobstbau vom 19. bis in das 20. Jahrhundert hinein. In dieser Zeit entwickelte sich auch die besondere Rolle des Apfelweins als hessisches Kulturgut.

Die Wortherkunft

Es gibt viele Versuche, die Herkunft des Begriffes „Streuobst“ zu erklären. Vermutlich hat er sich aus der Bezeichnung „Obst in Streulage“ entwickelt. Auch stehen die Begriffe Streuobstbau und -wiese in Zusammenhang zwischen der Doppelnutzung aus Obstanbau und Unternutzung, etwa zur Einstreugewinnung in Tierställen.

Biodiversität – Vielfalt auf unseren Streuobstwiesen

Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Sie werden nachhaltig, extensiv sowie ohne Pflanzenschutzmittel und Dünger bewirtschaftet. Das begünstigt eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten. Die lockere Anordnung der Obstbäume verschiedener Obstarten und regionaltypischer Sorten wie auch unterschiedliche Baumgrößen und Altersstufen sorgen für Struktur- und Sortenvielfalt. Streuobstwiesen sind daher von großem ökologischen und auch kulturellen Wert. In unserer Region sind sie ein Leitbiotop der Kulturlandschaft.

Flora und Fauna

Mehr als 5.000 Tier- und Pflanzenarten sind auf einer Streuobstwiese zu finden. Zudem wachsen hier etwa 3.000 bekannte Kulturobstsorten. Streuobstwiesen bieten Lebensraum für viele unterschiedliche Tiere wie Steinkauz, Grünspecht, Siebenschläfer, Igel, Zitronenfalter oder Ackerhummel.

Der weite Abstand zwischen den einzelnen Bäumen gibt auch seltenen Pflanzen wie etwa Wiesensalbei, Wiesen-Storchschnabel, Wiesenklee oder Margerite und Glatthafer genügend Luft und Licht zum Gedeihen. Diese Vegetation wirkt besonders in Hanglagen der Bodenerosion entgegen. Boden und Nährstoffe werden nicht weggespült und belasten so auch nicht die Gewässer.

Gutes Mikroklima

Streuobstwiesen haben auch einen positiven Einfluss auf das örtliche Mikroklima. Sie sind Regen- und Windschutz, Schattenspender, CO2-Filter und mildern die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht.

Hoher Nutz-, Erlebnis- und Erholungsfaktor

Streuobstwiesen liefern Obst für die Lebensmittelindustrie und den Eigenbedarf. Sie bieten dabei eine unglaubliche Sortenvielfalt an Äpfeln, Birnen, Kirschen, Quitten, Pflaumen oder Nüssen. Diese große Sortenvielfalt bildet einen wichtigen Genpool mit den vielen verschiedenen Erbanlagen, der bei künftigen Züchtungen für mehr Resistenz im Obstbau wichtig wird. Neben Obst sind auch die Produkte von Bienen sowie Nutz- und Weidetieren, also Honig, Wolle, Milch, Käse oder Wurst, von Bedeutung.

Streuobstwiesen haben zudem, besonders zur Blüte- und Erntezeit, einen hohen Erlebnis- sowie Erholungsfaktor und bereichern das Landschaftsbild enorm.

Herausforderungen beim Erhalt unserer Streuobstwiesen

Einst waren Streuobstwiesen landschaftsprägend, heute sind sie stark gefährdet. Etwa Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte der Anbau hochstämmiger Obstbäume seinen Höchststand in Deutschland. Doch dann verlor der Obstanbau zur Selbstversorgung, bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung hierzulande, rasant an Bedeutung. Extensiv bewirtschaftete Streuobstwiesen wurden landesweit gerodet, um sie durch die struktur- und artenärmeren Obstplantagen zu ersetzen oder um Platz für Bauland zu schaffen. Die wenigen verbliebenen Streuobstwiesen wurden vernachlässigt, es fehlte an Pflege. Nachpflanzungen blieben aus. Hessen verlor dadurch bis in die 1980er Jahre über vier Fünftel seiner Streuobstbestände.

Gefahren für Streuobstbestände

Etwa in den 1990er Jahren begann ein Umdenken in der Bevölkerung und man wurde sich zunehmend der ökologischen Bedeutung von Streuobstwiesen bewusst. Trotz intensiver Schutzbemühungen sind seitdem die Streuobstbestände in unserer Region weiterhin bedroht. Für die Erschließung von Wohn­- und Gewerbegebieten oder den Straßenbau werden noch immer Streuobstwiesen gerodet und es werden meist nur unzureichend Obstbäume nachgepflanzt. Auch die Pflege neu angelegter und bestehender Streuobstwiesen wird oft vernachlässigt. Weiter sind eine immer intensivere Landbewirtschaftung, Aufgabe der Nutzung und in jüngster Zeit auch Folgen des Klimawandels, wie häufiger auftretende Dürren oder Sturmereignisse, als Gründe für die Gefährdung von Streuobstwiesen zu benennen.

Regionale Streuobstwiesen und Klimawandel

Im Trend sorgt der Klimawandel auch in unserer Region für eine Veränderung der Temperaturen und der Wasserverfügbarkeit: Wassermangel im Frühjahr und Sommer, höhere Temperaturen und längere Hitzewellen, dies bedeutet Hitze- und Trockenstress für Natur und Mensch. Obstbäume, die für die Ausbildung ihrer Früchte mehrere hundert Liter Wasser benötigen, sind unter diesen Bedingungen auf intensivere Pflege angewiesen. Mit richtigem Gießen und einigen Tricks können Sie Ihre Streuobstwiese auch in heißen Sommern gesund halten und so zusätzlich der Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten vorbeugen, die sich an geschwächten Bäumen und Gehölzen leichter ansiedeln.

Besondere Herausforderungen

Nur durch entsprechende Pflege und Nutzung lässt sich eine Streuobstwiese erhalten. Es gilt, das Wissen älterer Generationen über die Kultur, Pflege und Nutzung der Streuobstwiesen zu bewahren. Bei jüngeren Menschen muss das Interesse geweckt werden, sich im Streuobstwiesenschutz zu engagieren. Hierfür ist jedoch das Aneignen des "alten Wissens" erforderlich.

Durch dieses fehlende Wissen werden teils banal erscheinende Themen wie Obstdiebstahl, Hundekot, der auf Streuobstwiesen belassen wird oder eine zunehmende Störung der Fauna und Flora durch Freizeitnutzung, zu Problemen. Für Streuobstwiesenbesitzer*innen sind dies ernstzunehmende Themen, welche die Wirtschaftlichkeit des Obstanbaus zusätzlich gefährden können. Gemeinsam mit vielen weiteren Streuobst-Aktiven setzt sich der Regionalverband für die Aufklärung und Verbreitung von Streuobst-Wissen ein, um Lösungen für die Zukunft zu finden.

Immaterielles Kulturerbe »Streuobstanbau« & »Handwerkliche Apfelweinkultur«

Egal ob bei der Streuobstwiesenpflege, der Verarbeitung der Produkte zum heiß begehrten Apfelwein oder der Förderung von Streuobstwiesenanlagen und -aktionen, Streuobstwiesen sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Nur zusammen kann das Wissen um die traditionsreiche Handwerkskunst und Wertschätzung des Streuobstwissens bewahrt und weitergegeben werden. Eine große Anerkennung für die vielen Aktiven im Streuobstwiesenschutz stellen gleich zwei Titel der UNESCO dar, das immaterielle Kulturerbe "Streuobstanbau" und die "Handwerkliche Apfelweinkultur".

Immaterielles Kulturerbe "Streuobstanbau"

2021 wurde der Streuobstanbau von der Deutschen UNESCO-Kommission in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Neben der nachhaltigen Streuobstwiesenpflege, dem Erhalt der Obstsortenvielfalt und dem Schutz ökologisch wertvoller Naturräume, soll das Bewusstsein für die Streuobstwiesenkultur gefördert und deren Bedeutung hervorgehoben werden. Dies ist vor allem wichtig, da in den letzten Jahren neben Klimawandel, Rodungen und fehlender Pflege auch das schwindende Wissen zu einem Problem wird. Die Pflege und Bewirtschaftung der Streuobstwiesen und die Verarbeitung der Früchte ist zwar arbeits- und zeitintensiv, wird jedoch mit Familie, Freunden oder im Verein zu einem gemeinschaftsbildenden Erlebnis.
(Mehr Infos zum Streuobstanbau als Immaterielles Kulturerbe finden Sie auf der Webseite der UNESCO: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/streuobstanbau)

Immaterielles Kulturerbe „Handwerkliche Apfelweinkultur“

2022 hat es die „Handwerkliche Apfelweinkultur“ ebenfalls mit einem Eintrag ins Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes geschafft. Apfelweinkultur verbindet Streuobstwiesen als landschaftsprägende Natur- und Wirtschaftsräume mit Generationen von Streuobst-Aktiven. Oft werden die handwerklich betriebenen Tätigkeiten des Obstanbaus, der Pflege, der Ernte und des Kelterns mit der ganzen Familie oder im Verein ausgeführt und von Generation zu Generation weitergegeben. So entsteht mit dem Apfelwein, hier in Hessen auch unter den Namen Ebbelwoi, Äppler oder Stöffche bekannt, ein lokales Produkt voll kultureller Bedeutung und zusätzlich hervorragend prickelnd-frischem Geschmack.
(Mehr Infos zum Streuobstanbau als Immaterielles Kulturerbe finden Sie auf der Webseite der UNESCO: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/apfelweinkultur)

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