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Datum: 26.02.2024

Eine Sprungschanze, Stangenkunst und der „Kindstein“ von Nidda

Rekonstruktion der »Stangenkunst«: Sie machte die Salzgewinnung effizienter. (Foto: Alexandra Kruse)

Eine Sprungschanze in der Wetterauer Stadt Nidda – das klingt nach Après-Ski, Oberstdorf – oder eher nach einem Aprilscherz. Doch, ein Fünkchen Wahrheit ist da dran: Eine Sprung­schanze gibt´s hier wirklich! Heute sind leider nur noch Stein­funda­mente einer Sprung­schanze am Hundsrück in Eichelsdorf erhalten. Aber alte Fotos beweisen: Der eine oder andere ist hier in den 1950er Jahren abgehoben – und das zum Teil auf selbst­gebastelten Skiern, mit Gummi­stiefeln und ohne Schutz­kleidung. Wie viele Meter das wohl waren? Von Menschen geschaffene Spuren wie diese prägen unsere Landschaft. Nun sind diese Kulturhistorischen Landschaftselemente (KHLE) ins Kultur­landschafts­kataster des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain eingepflegt worden.

Offensichtlicher als die alte Sprung­schanze ist da ein anderes Landschafts­element in Nidda. Im Stadtteil Bad Salzhausen lässt sich bis heute noch die „Stangenkunst“ bewundern. Mit Kunst ist hier Ingenieurs­kunst gemeint. Es geht dabei um die lokale Salz­gewinnung, welche in Bad Salzhausen eine lange Tradition hat. Die Herausforderung dabei war, Höhenunterschiede und große Strecken mit Hilfe eines Kanal- und Stangen­systems zu überwinden. Dahinter steckte der Salinenrat Karl Friedrich Langsdorf, der es zwischen 1776 und 1786 anlegen ließ. Das Ziel: Produktions­steigerung der Saline. 1860 wurde die Stangenkunst abgerissen. Im Kurpark sind ein Wasserrad und Teile der original­getreu nachge­bildeten Anlage zu sehen.

Neben dem Weißen Gold, dem Salz, gab es in Nidda auch reichlich Schwarzes Gold. Davon zeugt der Bergwerks­teich im Wald nahe der Berstädter Straße. Die Braunkohle sollte dafür sorgen, die energie­intensive Salz­gewin­nung in Bad Salzhausen rentabler zu machen. Die ab 1815 im Bergwerk geförderte Kohle diente der Beheizung der Sudpfannen, wurde aber auch frei verkauft. Gut 46,5 Meter tief lag der Förderschacht. 1949 war das Kohlenflöz erschöpft, das ohnehin immer wieder eingemottete Bergwerk wurde endgültig geschlossen. Vom Bergwerksbetrieb ist nur noch der Bergwerksteich erhalten, unter dem Stolleneingänge liegen. Erhalten ist auch noch der Licht­schacht eines Ent­wässerungs­tunnels.


Das kleine Häuschen in Unter-Schmitten erinnert optisch an ein „Zwergenhaus“. Eigentlich ist es aber eine „Darre“ aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Hier konnten die Menschen früher Dinge wie Getreide, Obst oder Gemüse, Hanf und Torf trocknen oder leicht rösten. Hier in Unter-Schmitten war es vor allem Obst, das getrocknet wurde. Das Gebäude ist vielleicht das einzig erhaltene Beispiel für eine Darre in der Gegend. Umso bedauer­licher ist sein baufälliger Zustand.

Ein beein­druckendes Relikt aus der Vergangenheit ist der sogenannte „Kindstein“ in Unter-Widdersheim. Er besteht aus Trachytgestein, das beim Anschlag einen hellen Klang von sich gibt. Im Laufe der Jahrhunderte entstand daraus die Sage, man höre die kleinen, ungeborenen Kinder schreien im „Klingstein“ oder „Kindstein“. Da der Storch die Kinder bringt, hat auch nur dieser den Schlüssel zum Kindstein. Eine andere Sage erzählt von einer Kinderfrau (auf Oberhessisch „Keannfra“), vermutlich eine Hebamme, die dort die Kinder aus dem Kindstein holt und deshalb auch den Schlüssel zum Kindstein hat.
Der Menhir misst oberirdisch gut 2,3Meter an Höhe und wird auf die Zeit von 3.000 vor Christus geschätzt. Ein Hinkelstein neben dem Haus – den hat nicht nur Obelix sondern auch so manche Niddaer Bürger – einfach gigantisch!

Weitere Infos:

  • Das Kulturlandschaftskataster gehört zu den Services der Abteilung Klima, Energie und Nachhaltigkeit des Regionalverbandes.

  • Der Regionalverband hat als erste Institution in Hessen damit begonnen, kulturhistorische Landschafts­elemente systematisch zu erfassen und darzustellen, damit diese wertvollen Zeitzeugnisse öffentlich bekannt gemacht und bei Vorhaben berücksichtigt werden.

  • Vor wenigen Jahren sind die fünf Wetterauer Kommunen Echzell, Glauburg, Limeshain, Nidda und Ranstadt dem Regionalverband beigetreten. Inzwischen sind auch die Landschafts­elemente dieser Kommunen ins Kataster integriert.

Mehr zur Kartierung in der News »Ackerterrassen, Ski-Sprungschanze und Gullydeckel«

Hier geht es zum Kulturlandschaftskataster: www.kulturlandschaft-frm.de